Manchmal passieren Dinge, mit denen man so nicht mehr gerechnet hat. Über viele Jahre habe ich Grundlagenforschung mit Anwendungspotenzial betrieben. Natürlich habe ich immer brav erwähnt, was man mit den untersuchten Systemen anstellen könnte (und in den meisten Fällen war es nicht einmal gelogen), um die Anwendungen selbst habe ich mich aber nie wirklich gekümmert.
Nun hat sich das geändert. In einer Arbeit, die gerade bei Physical Review Applied erschienen ist, untersuchen Marko Šimić und ich zusammen mit Forscher:innen der Meduni Graz die Funktionsweise eines Messgeräts zur Nanopartikelcharakterisierung, das auch käuflich erworben werden kann. Die zu untersuchenden Nanopartikel werden dabei durch einen mikrofluidischen Kanal gepumpt und zusätzlich von einem schwach fokussierten Laserstrahl bestrahlt, der sich in Flussrichtung bewegt. Durch das gestreute Licht können die Teilchen beobachtet werden, und durch die optischen Kräfte des Lasers werden die Teilchen in den Transversalrichtungen gefangen und in Flussrichtung beschleunigt. Indem man nun die Geschwindigkeit der einzelnen Partikel misst, die sich im Gänsemarsch durch den Fokusbereich des Lasers bewegen, kann man auf die Größe der Nanopartikel rückschließen. Dan Garisto, der dazu eine Focus Story in Physics geschrieben hat, vergleicht das mit Segelbooten mit unterschiedlicher Segelgröße, die bei Wind unterschiedlich schnell angetrieben werden: indem man die Geschwindigkeit der Boote misst, kann man auf die Segelgröße rückschließen.
Die Idee zu diesem Messprinzip stammt von Christian Hill, der sich seit vielen Jahren mit großem Enthusiasmus um dieses Projekt kümmert. Die aktuelle Arbeit demonstriert die Funktionsweise anhand von Standardproben, die Analyse der Experimente und die Entwicklung eines theoretischen Modells stammen größtenteils von Marko Šimić, der dazu eine Dissertation am Institut für Physik verfasst. Weitere Anwendungen sind in Arbeit, beispielsweise zu Nanoplastik, Beschichtungsmaterialien oder pharmazeutischen Produkten. Für mich war es die erste Arbeit gemeinsam mit der Meduni Graz und dem Gottfried-Schatz-Forschungszentrum. Der Namensgeber zu diesem Zentrum war übrigens mein Onkel, und so hat die Arbeit auch eine emotionale Komponente. Wahrscheinlich hätte es ihn gefreut, dass ich nun endlich bei den angewandten Dingen der Forschung angelangt bin.