Em.Univ.-Prof. Dr. Kurt Baumann ist am 1.3.2021 im Alter von 93 Jahren verstorben. Er wurde 1966 als ordentlicher Professor an das damalige Institut für Theoretische Physik berufen, an dem er über drei Jahrzehnte wirkte. Mit seiner Professur wurde das Arbeitsgebiet der Theoretischen Festkörperphysik an der Karl-Franzens-Universität neu etabliert.
Er konnte auf unvergleichliche Weise Physik in klarer Sprache und in exakten Formeln vermitteln. Jeder Strich saß, jedes Symbol war mit Bedacht gewählt, über all die Jahre passten seine Vorlesungen auf stets vier Tafeln. Dennoch haftete den Vorlesungen nichts Technisches an, im Gegenteil, sie waren von dem unermüdlichen Versuch geprägt, Inhalte und Formeln abzuklopfen, um das unbedeutende Beiwerk von den zugrunde liegenden Strukturen zu trennen. Kurt Baumann hat viele Generationen von Physikstudierenden mit seinem Vorlesungszyklus zur Theoretischen Physik geprägt. In der Beantwortung von Fragen zeigte er große Geduld und Verständnis für die noch unklaren Aspekte. Stets stand in seiner Lehre das tiefe Verständnis von Physik im Vordergrund - ein Umstand, dem es wohl auch zu verdanken ist, dass viele der ehemaligen Baumannschüler nun selbst als Professoren und Professorinnen an Universitäten lehren.
Über die Theoretische Festkörperphysik hinaus lag für Baumann ein besonderes Forschungsinteresse in Fragen zur Interpretation der Quantenmechanik, einem Problem, das bis heute kontrovers diskutiert wird. Er zeigte ein großes Interesse für die unorthodoxen Interpretationen, die ohne einen Kollaps der Wellenfunktion auskommen, wie die Bohmsche, Everettsche oder konsistente-Historien-Interpretation. Kurt Baumann nahm sich die Zeit, die Publikationen genau und intensiv zu studieren. In diesem Sinne war er ein Wissenschaftler einer vergangenen Zeit, in der h-Faktoren und andere leistungsbasierten Indikatoren noch keine Rolle spielten. Dafür kam er am Ende zu klaren Schlüssen, wie auch in seinem vielbeachteten Sammelband "Die Deutungen der Quantentheorie" gemeinsam mit Roman Sexl beschrieben, und diese Schlüsse hatten Bestand.
Nach seiner Emeritierung zog sich Kurt Baumann ins Privatleben zurück, über viele Jahre sahen wir ihn noch beim Besuch der Weihnachtsfeier des Instituts, in den letzten Jahren entfiel auch dieser aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit. Und so blicken wir in unserer Erinnerung auf unseren hilfsbereiten und freundlichen Kollegen mit dem jugendlichen Gesicht zurück. Sein Streben nach dem Verständnis der tiefgreifenden physikalischen Zusammenhänge wird uns als Vorbild dienen, und der Verlust dieses stets kritisch denkenden Kollegen erfüllt uns mit tiefer Trauer.
Seine Verabschiedung findet am 12. März 2021 um 14:00 Uhr vor der Aufbahrungshalle am Friedhof Graz-Mariatrost statt.
Ulrich Hohenester
Fachbereichsleiter Theoretische Physik
Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Physik